Vorgestern feierte das Spektakel um junge Musikkultur in Glasgow seine 20. Aufführung und ich habe mir die Zeit genommen, das Hauptereignis davon zu verfolgen. Mittlerweile gehört ja zum Event neben dem „Roten Teppich“ noch eine Schalte nach Amiland, wo abermals ein paar „gefeierte“ Interpreten die Zuschauer einstimmen sollen. Und ja, bei Gelegenheit würde ich mir das vielleicht auch antun, nur war ich vom 2013-Zusammenschnitt schon nicht sonderlich angetan. Insofern… die Hauptveranstaltung:
Als Gastgeberin ließ sich Nicki Minaj verpflichten, was aus meiner Sicht eine gute Wahl ist, da sie durchaus zu Selbstironie fähig ist und hervorragend in diesen Zirkus passt. Bzw. besser als Selena Gomez oder Heidi Klum auf jeden Fall.
Dass die (Pop-)Rapperin ihre Kollegen Iggy Azalea, Drake, Eminem und Kanye West in der Kategorie „Best Hip Hop“ schlug, ist auch kein Problem für mich. Es zeigt nur, wie verwischt die Kategorien eigentlich sind.
Apropos Kategorien – kommen wir mal zu den Klassikern:
- Best Video ging an das überladene „Dark Horse“ von Katy Perry (featuring Juicy J). Purer Pop also. Habe ich keine Beanstandung. Obwohl mir bei der Auswahl die eher bizarre Verfilmung von Sia’s „Chandelier“ besser gefallen hätte.
- Best Song wurde „Problem“ von Ariana Grande (featuring Iggy Azalea). Hm, okay, bei der Zielgruppe und angesichts der Eingängigkeit verständlich, trotz diesem Antiklimax von Chorus. Stichwort Geflüster. Konkurrent „Happy“ war dagegen wohl schon zu ausgedudelt.
- Best Female darf sich aus EMA-Sicht 2014 nun Ariana Grande nennen. Hm, „wenigstens nicht Rihanna“ war mein erster Gedanke. Und „wenigstens nicht Taylor Swift“ war mein Zweiter. Aber das kommt dann bestimmt nächstes Jahr, wenn ihr neues Album „1989“ allseits gehört und promotet wurde.
- Best Male bot unter den Nominierten 4 respektable Interpreten und einen „Ausreißer“ – und ausgerechnet dieser gewann. Welch arme verirrte Seelen fanden denn, dass Justin Bieber in den vergangen 12 Monaten irgendwas geleistet hat? (Ich meine, die komische Single-Sammlung „Journals“ sorgte doch mehr für Gähnen als für Hits.) Oder hat er vielleicht eine Abo-Karte auf diesen Preis, den er unfassbare 5 Mal in Folge gewinnen konnte? Also spätestens ab da ist mir das Preisgewitter ein Rätsel, wenn nicht sogar egal.
Aber einen muss ich noch draufsetzen…
- Best World Stage Performance ist für eine Kategorie ja schon etwas kryptisch. Ich würde da an ein weltweit erfolgreiches Live-Musikprojekt denken – also Einzelperson oder Gruppe. Die Musikart ist da eher zweitrangig. Vielmehr soll wohl das Live-Erlebnis im Focus sein. Okay, ein Blick auf die Nominiertenliste zeigt ein entsprechend breites Spektrum. Aber dann der Totalausfall: das Voting gewonnen hat Enrique Iglesias. Ja, ausgerechnet der Enrique, dessen „Rhythm Divine“-Gesang-Mitschnitt für reichlich Spott im Netz sorgte. Ja, der Enrique, dessen letztes Album eher weniger Beachtung fand bzw. auch gern zerissen wurde (u.a. von mir). Und ja, es ist der Enrique, der sich mittlerweile gern eine Tonne an Produzenten und Feature-Gästen ranbestellt, um irgendwie etwas Relevanz zu ergattern. (Wenn ich richtig zynisch bin, würde ich meinen, dass es wohl noch mal ein letztes Hallo von ihm sein soll, bevor ihn MTV nicht mehr einlädt, weil er in einem halben Jahr 40 wird.)
Für eine europäische Preisverleihung gingen viele „Auszeichnungen“ an Übersee, wobei das eigentlich kein Novum ist. Neu ist dagegen, dass MTV auch dem asiatischen Markt in den Arsch kriechen möchte. Oder wie sonst soll ich die Farce verstehen, wenn bei einer zusammengewürfelten Kategorie namens „Best Worldwide Act“ eine Künstlerin gewinnt, von der die Zielgruppe eigentlich absolut nichts kennt? Bibi Zhou aus China ist immerhin berühmt für… äh, ja, was?… ihren Akzent?
Übrigens ist das seit Bestehen dieser Kategorie überwiegend der Fall, dass irgendwelche asiatischen „No-Names“ (oder „schwer-auszusprechen-Names“) mal kurz auf der MTV-Bühne winken dürfen und dann meistens nicht mal ihr Können mit einem Auftritt unter Beweis stellen.
Ach ja, die Auftritte – im Schnellverfahren:
- Ariana Grande – „Problem“ / „Break Free“ : für ihre Sparte gut
- Kiesza – „Hideaway“ : och, das kannte ich schon aus anderen Shows. Hätte sie nicht die neue Single wählen können? Na ja, aber dafür gut.
- Royal Blood – „Figure It Out“ : jawohl, endlich ein richtiges Highlight.
- Charlie XCX – „Boom Clap“ / „Break The Rules“ : dem dämlichen Namen macht dieses dünne Stimmchen alle Ehre, aber die Songs sollte sie wohl besser anderen schreiben. „I Love It“… nicht!
- U2 – „Every Breaking Wave“ : welch Ironie, dass eine der größten Rockbands einen der kleinsten Auftritte hinlegt. Hier hätten sie doch ruhig noch mal ihre Apple-Show abliefern können.
- Nicki Minaj – „Super Bass“ / „Bed Of Lies“ / „Anaconda“ : großes (Trash-)Kino. Und ja, die Garderobe hielt.
- Ed Sheeran – „Thinking Out Loud“ : wenn der Minaj-Auftritt ein Blockbuster ist, bietet der Sheeran Arthaus als Kontrast – sehr schön.
- Enrique Iglesias – „Freak“ / „Bailando“ : ich hoffe, er war nicht nüchtern für diesen Quark.
- Alicia Keys – „We Are Here“ : schlicht und großartig.
- Slash, Myles Kennedy, The Conspirators and Simon Neil – „Crazy Train“ : ja, ja, irgendwas mit Ozzy Osbourne war ja auch noch. Viel Pyro macht aber noch kein ordentliches Finale. Ich vermute, das waren Aushilfskünstler, weil die großen Namen für so ein Tribut keine Zeit oder Lust hatten.
Fazit: ach, es ging. Im Vergleich zu 2013 wurde jedoch aus meiner Sicht weniger Show geboten. Nächstes Jahr soll der Zirkus dann nach Mailand ziehen. Ich bin gespannt.
Es verbleibt als nicht mehr so großer EMA-Fan
F.